Texte


 

Der Mensch steht und stand immer im Mittelpunkt des Lebens und Werks dieser Frau und Malerin….

….Barbara Seifrieds Ausstellung hier in der wunderbaren Stadtgalerie in Markdorf ist „Im Prozess“ betitelt, und in diesem Prozess, der von der Geburt bis zum Tod andauert, stecken wir alle und nennen das „LEBEN“. Wir sitzen auf diesem Planeten irgendwie alle in einem Boot, auch wenn wir es nicht immer wahrhaben wollen, aber die Natur weiß das ganz genau und hat dies in ihrem Langzeitgedächtnis gespeichert.

Barbara Seifried malt seit Jahrzehnten fundamentale Themen, sie malt das Boot, in dem wir sitzen, sie malt den Kokon, der uns bei aller Veränderung Geborgenheit schafft, sie malt die Erdhorcherin, vielleicht ihr stärkstes Alter Ego-Motiv. Denn die Malerin ist sehr naturverbunden, sie liebt die Geräusche der Natur vor ihrer Haustüre, sie schöpft Ideen und Energie aus diesem Kreislauf …

….da die zeitgenössische Kunst immer auch ein Zeugnis der Zeit ablegt, waren wir doch mittendrin in der Diskussion um einen Strukturwandel in Zeiten der digitalen Bilderflut und des inflationären Bilderwahnsinns, dem wir nahezu täglich ausgesetzt sind und uns durchaus auch freiwillig aussetzen.

Barbara Seifrieds Kunst ist dagegen eine Oase oder ein Rückzugsort für all die Menschen, denen Begriffe wie Haptik, Ästhetik, Sinnlichkeit, Lebenserinnerung, Materialität und Ehrlichkeit wirklich etwas bedeuten.

„Ich brauche immer einen guten Hintergrund“, sagt sie, deswegen heißen auch viele Bilder „remember“. Ja, die Malerin will uns einladen, dahinter zu schauen, zu entdecken, was teils im Verborgenen liegt. Ihre ersten Malschichten legt sie oft als dicken gespachtelten Untergrund an, in welchen sie schnell hineinzeichnet und somit dauerhafte Spuren im Bild hinterlässt. In weiteren Arbeitsgängen wird die Farbe abgewaschen, wird neue Farbe aufgetragen, wird abgeschmirgelt, wird teils Papier collagiert …

…Bei ihrer Schichtenmalerei setzt die Malerin zwei inhaltliche Schwerpunkte: Es ist das Thema und es ist der Raum als Struktur. Denn Seifrieds Kokons oder Bootmenschen sind immer konzeptioneller Teil eines Bildraumes und kein additives Attribut. Sie malt also nicht Motiv vor Hintergrund, sondern sie bindet Motiv und Raum ineinander ein, weil sich beide gegenseitig bedingen und ergänzen…

…Barbara Seifried hat sich daher ganz und gar der traditionellen Maltechnik der Eitempera-Malerei verschrieben… Der große Vorzug dieser Technik ist, dass aus wenigen Farben unzählige Farbnuancen entstehen. Barbara Seifried ist längst eine Meisterin beim Mischen von Farben, sie schätzt das Durchscheinende, das angenehm Samtige, die Farbräumlichkeit und die subtile Lichtwirkung der Eitempera.

Denn erst die Stofflichkeit und die Struktur geben ihren Bildern einen Sinn, alles andere wäre verfehlt. Mehrfach betonte die Künstlerin, dass es ihr bei jedem Bild darum gehe, konkret zu werden. Mit konkret meint sie direkt und unmittelbar, so ist es ein Ziel jedes Kunstwerks, eine Geschichte so gut zu verdichten und zu fassen, dass alles, was zu sehen ist, bedeutungsvoll bleibt…

Bei aller Konzentration und Fokussierung auf ihre bildnerischen und stilistischen Mittel ist Barbara Seifried aber keineswegs verbissen oder didaktisch verbohrt, sondern sie will eine Kunst schaffen, die für alle frei interpretierbar ist und die jede und jeden dort berührt und anspricht, wo es für uns individuell passt. So gibt es nicht selten in ihren Bildern sog. Aufzählungen, also Reihungen von Formen, die als oberste Schicht den Bildern ein Gesicht geben. „Man kann auch nur diese Aufzählungen sehen, es macht mir Spaß in Rastern zu arbeiten“, so die Malerin, die auch um ihre graphische Stärke weiß.

„Es gibt Künstler, die arbeiten von außen nach innen, ich arbeite von innen nach außen“, sagte sie im Gespräch. Barbara Seifried malt Menschen, die auf dem Weg sind, sie malt Momente der Hoffnung, denn sie gibt Ideen eine Form, und alle und alles im Bild sind IMMER auf der Suche zu etwas Schönem, so die Malerin. Auf meine Rückfrage, ob es ihr gelänge, ein schönes Bild zu malen, antwortete sie mit „das wäre schwierig“, denn das Schöne zu suchen ist ihr Ziel, nicht es zu finden!

…Inzwischen sind die Menschen Kürzel und wurden immer stärker zu Chiffren abstrahiert und subtrahiert. Barbara Seifrieds Geschichten sind daher mit den Jahren immer ehrlicher und radikaler geworden. Manchmal schleicht sich aber auch ihr Humor ins Bild oder ein Stück Alltag, denn sie ist eine sehr aufmerksame Beobachterin all dessen, was um sie herum geschieht.

Ich gebe nicht auf, ich werfe kein Bild weg, ich schaue immer nach vorne, denn Malen ist mein Leben…

Text: Andrea Dreher
Auszüge aus der Rede zur Ausstellungseröffnung „Im Prozess“
Stadtgalerie Markdorf, 17.1.2020


 

Dem Betrachter ihrer Bilder macht es Barbara Seifried nicht leicht. Schon der Titel ”Bootmenschen” ist etwas sperrig. Der Begriff läßt mythologische Assoziationen zu und führt damit bis zu dem Bestattungsritual im alten Ägypten, bei dem der Verstorbene an einer rituellen Bootsfahrt teilnimmt, weil nur so ein Weiterleben nach dem Tod gelingen kann.
Die Bilder sind zwar gegenständlich zu lesen und lassen sich doch mit unserem Bild und mit unserer Erfahrung von Welt nicht aufschlüsseln. Die Menschen in den Booten verstören uns: es sind keine Individuen, sondern der Mensch erscheint als Zeichen, sich ähnlich in vielen Bildern. Er tritt in keinen direkten Kontakt mit dem Betrachter.
Fast alle Bootmenschen sind bandagiert, was sie gebunden aber nicht gefangen wirken läßt. Kratzspuren und Bandagen deuten auf Verletzungen hin, doch sie leiden nicht. Sie scheinen ruhig, ohne Aktivität, wenig lebendig aber nicht tot. Sie stehen in keiner Verbindung zu Anderen, sie sind ganz und gar auf sich selbst bezogen, wirken in sich gekehrt. Sie sind losgelöst von Zeit und Raum, sie bewohnen Zwischenräume und leben in einer Übergangszeit.
Die Bilder Barbara Seifrieds zeichnen Lebensspuren zwischen den Welten. Sie stellen die grundsätzlichen Fragen unseres Seins. Was ist das ”Leben”? Was verbirgt sich hinter den Dingen des Lebens? Woher kommen wir, wohin gehen wir? Das tägliche Ringen um materielle Annehmlichkeiten, der Zwist und Kampf mit den Mitmenschen haben die Bootmenschen weit hinter sich gelassen. Die Bilder zeigen uns in einer entschleunigten Welt unser Eingebundensein in einen Plan vom Werden und Vergehen, dem man sich vertrauensvoll hingeben kann.

Text: Christiane Oßwald und Christine Roth-Walheuer


 

Barbara Seifrieds Bootmenschen sind gefesselte Gestalten, die vielfach umwickelt in kläglichen Nachen hocken, stehen oder liegen. In Gefährten die allein durch ihre Grösse und das offensichtliche Missverhältnis zu ihrer geknebelten Fracht zum Kentern verurteilt scheinen. Das erhoffte Übersetzen von einem Ufer zum anderen wird zu einer symbolischen Form verwandelt. In ihrem Gefesseltsein, in ihrer „eingebundenen“ Isoliertheit geraten Barbara Seifrieds Bootmenschen zum Bild für die menschliche Situation schlechthin. Sie thematisiert die allgemeine Suche nach festem Boden; sie malt den heiklen „Übergang“, dessen Passage allzu oft scheitert.

Barbara Seifrieds Bootmenschen enthalten sich jedweder Gestik. Weder schreien sie um Hilfe, noch gestikulieren sie. Im Gegenteil: Sie wirken bemerkenswert ausdruckslos. Was sich nur zum Teil aus ihren Fesseln erklärt. Da ist kein Zerren, kein Bäumen, kein trotziges Sich-Verrenken, sondern Still-Liegen, ja Reglosigkeit – eher schon ein In-sich-Gekehrtsein. So als könnten diese Gestalten nicht begreifen, wie beziehungsweise was ihnen geschieht.

Und das passt vortrefflich zu der von Barbara Seifried eingesetzten malerischen Technik, der die künstlerische Suchbewegung gewissermaßen eingeschrieben ist. Da gibt es zum Beispiel ins Bild eingearbeitete Textfragmente, die dem Betrachter aus absichtlich offen gelassenen oder nachträglich freigelegten Flächen entgegenblicken, wie die vom Restaurator freigelegten Sichtfenster aufs Ursprüngliche. Auffällig ist auch der statische Charakter der Seifried-Bilder. Alles wirkt wohl ausgewogen: die Flächen, die Formen, die Farben. Doch bricht die Künstlerin diese fein ausbalancierte Harmonie auf, indem sie der oftmals heiter-bunt angelegten Oberfläche Kratzspuren zufügt. Ganz so als gelte es, die Bilder aufzureißen, um Tieferes zu finden. Und obgleich Barbara Seifried selber über ihre Bilder sagt, sie enthielten sich jeder Botschaft, kann dies nur für die Motiv-Seite gelten. Das Formale ihrer Arbeiten sagt entschieden mehr; es fordert auf zum Anschauen und – abstrakten – Durchdringen.

Text: Jörg Büsche


 

Arbeitszyklus Bootmenschen
 

Der Arbeitszyklus der Bootmenschen zeigt den Übergang von einer Welt in die nächste.

Der beschränkte Raum des Bootes ist die Heimat der Bootmenschen, sie vertrauen auf die Hülle, die sie trägt. Das Boot ist ein Zeichen dafür, neue Ufer zu erreichen. Sie machen sich auf und finden Halt in ihrem Boot. Sie sind festgehalten im Alten und doch bereits fest verbunden im Neuen. Ein anderes Mal lassen sich die Bootmenschen treiben ohne Ziel und Ausgangspunkt in einer rätselhaften Welt, in einem unbekannten Kosmos.
Der Tod ist hier kein belastendes, destruktives Thema. Man muss sich nur darauf einlassen, dann findet man über ihn zum Ursprung allen Lebens.


 

Arbeitszyklus Kokon, Nest, Samen, Frucht
 

In dieser Bilderwelt stimmt bei näherem Betrachten alles zusammen. Geburt und Tod, Kokon und Nest, Samen und Frucht gehören unweigerlich zum Kreislauf des Lebens. Die Bilder erzählen vom Werden, Sein und Vergehen.

Früchte in verschiedenen Stadien, geschlossen oder leicht angeplatzt, mit Samen oder ohne. Die Früchte reihen sich aneinander und deuten so an, dass sich ein Vorgang wiederholt. Ein Vorgang, der Wachsen und Gedeihen auf der Erde ermöglicht. Wir sehen die Erde, die geheimnisvolle Kräfte und Energien verborgen hält.